Beispiele für Software-Patente
Patentiert bis 1998 in den USA: Grafischer Cursor durch XOR-Operation
|
Illustration der
League for Programming
Freedom: Ein dreizeiliges Programm verletzt das XOR-Patent.
|
Problem: Man möchte auf möglichst einfache Weise einen Zeiger
(Cursor) in eine vorhandene Grafik einzeichnen und wieder
entfernen können.
Lösung: Man macht im Bereich des Zeigers alle schwarzen Punkte
weiß und alle weißen Punkte schwarz. Das ergibt eine gut
sichtbare Markierung. Wenn man den Zeiger wieder entfernen will,
wendet man dieselbe, unter Programmierern als „XOR“
bekannte Operation noch einmal an.
Diese für Fachleute völlig auf der Hand liegende Problemlösung
war von 1978 bis 1998 patentiert (US-Patent Nr. 4 197 590). Wer
sie in den USA in seinen Programmen verwenden wollte, mußte,
rechtlich gesehen, vorher eine Lizenz erwerben.
Praktisch jedes Grafikprogramm verletzt dieses Patent.
Die Gültigkeit dieses Patents wurde mindestens zweimal vor
Gericht bestätigt. Insgesamt mußten Millionen für die Nutzung
dieser „Erfindung“ gezahlt werden.
Patentiert seit 2002 in Europa: E-Mails mit Anhängen versenden
Die Patentschrift suggeriert, daß hier „nur“ das
Versenden von Audio-Dateien („Sprachnachrichten“)
patentiert würde. Diese „Einschränkung“ findet sich
jedoch nicht in den Patentansprüchen, die jede Art von
„strukturierter E-Mail“ – insbesondere also
auch jede E-Mail mit MIME-konformen Anhängen – abdecken.
Dieses Patent hat gute Aussichten, zum
Software-Patent
des Monats Mai 2006 gewählt zu werden.
Für Details siehe:
http://www.nosoftwarepatents-award.com/vote200605/patent4.de.html
Patentiert – auch in Europa: Dialoge mit Karteikartenreitern
Karteikarten haben oft einen oben ansetzenden
„Reiter“, der das Auffinden von Informationen in
Karteikästen erleichtert. Wenn wir diese Funktionalität im
Computer nachbilden wollen – durch Klicken auf den
„Reiter“ springt die gewählte
„Karteikarte“ nach vorne –, müssen wir vorher
eine Patentlizenz einholen.
Obwohl diese Technik bereits seit Jahrzehnten bekannt ist, wurde
das Patent erteilt – im Dezember 1995 in den USA, nach
sechsjähriger Prüfung im August 2001 in Europa. Das Patent ist im
Januar 2002 in einem Gerichtsprozeß angefochten worden –
ohne Erfolg: Der „Patentverletzer“ mußte 2,8
Millionen US-Dollar an den Patentinhaber zahlen.
Wer derartige Bedienungselemente in seine eigene Software
eingebaut hat, ohne vorher eine Patentlizenz erworben zu haben,
kann jederzeit wegen Patentverletzung verklagt werden!
Es kommt dabei nicht darauf an, ob die Reiter oben, unten oder
ganz woanders sind, ob man Einfachklicks, Doppelklicks oder
Tastaturkommandos verwendet: Die Ansprüche decken alles ab.
Für Details siehe:
http://swpat.ffii.org/patente/wirkungen/palette/index.de.html
Patentiert bis 2004: GIF-Dateien
|
Bis 2004 war es freier Software
(z.B. dem Grafikprogramm GIMP)
nicht erlaubt, GIF-Dateien wie z.B. dieses animierte
Banner zu erzeugen.
|
Mit dem Erfolg des World Wide Web (WWW) sah es Anfang der 1990er
Jahre so aus, als würde sich ein komprimierendes Grafikformat zum
allgemeinen Standard etablieren: das Graphics Interchange Format
(GIF) von CompuServe. Dieses verwendet den altbekannten
Kompressionsalgorithmus Lempel-Ziv-Welch (LZW), um die
Datenmengen zu verkleinern. Zwar waren bereits damals bessere
Kompressionsalgorithmen und auch sonstige Nachteile des
GIF-Datenformats bekannt, aber dies nahm man in Kauf, um auf
einen bereits weithin unterstützten Standard zurückgreifen zu
können.
1994, nachdem GIF zu dem Standard-Datenformat im WWW
geworden war, begann einer der Inhaber des LZW-Patents, von
Programmierern Gebühren für die Verwendung von LZW einzutreiben.
Seit 1999 wurden auch Webseitenbetreiber abgemahnt. Als Folge
gibt es heute keinen allgemein akzeptierten Standard für
Grafikformate, sondern wieder auseinanderlaufende Bemühungen.
Erst seit dem Auslaufen des Patents im Jahr 2004 ist es wieder
allgemein erlaubt, GIF-Dateien zu verwenden. Vorher lauteten die
Bedingungen des Patentinhabers:
-
Das Lesen von GIF-Dateien ist gebührenfrei gestattet. Für das
Erzeugen werden Patentgebühren erhoben.
-
Autoren von nicht-freier Software führen 1,5% des
Verkaufspreises ihrer Software, mindestens jedoch 0,15 USD pro
Lizenz, an den Patentinhaber ab.
-
Autoren von
Freier Software (Open-Source-Software)
erhalten keine Lizenz.
Es war, wohlgemerkt, nicht so, daß der Programmierer für diese
1,5% irgendeine Arbeitserleichterung bekommen hätte. Er erwarb
damit lediglich die Erlaubnis, sich eine bestimmte Arbeit machen
zu dürfen.
Was konnte man tun, um dem GIF-Problem zu entgehen?
-
Das PNG-Datenformat ist GIF technisch überlegen, wird aber nicht
von allen Browser-Programmen fehlerfrei unterstützt.
-
Das JPEG-Datenformat ist weit verbreitet und gut unterstützt,
ist aber für das Speichern von Fotos optimiert und nur bedingt
für Strichzeichnungen geeignet.
Sowohl bei PNG als auch bei JPEG ist jedoch nicht klar,
ob sie nicht ebenfalls durch Patente gefährdet sind. Im
August 2002 berichtete heise online von
Versuchen eines texanischen Unternehmens, Patentgebühren für JPEG
zu verlangen. Der Ausgang ist ungewiß.
Dasselbe Patent (LZW) behinderte 20 Jahre lang die
Interoperabilität noch auf anderen Gebieten, beispielsweise in
bezug auf das Unix-Kompressionswerkzeug „compress“.
Weitere Details:
http://swpat.ffii.org/patente/wirkungen/gif-lzw/index.de.html
http://lpf.ai.mit.edu/Patents/Gif/Gif.html
Patentiert in Europa: Elektronischer Einkaufswagen
In den allermeisten Fällen sind es ganz natürliche Vorgänge, die
von Programmierern in Software umgesetzt werden. So auch hier:
-
Der Einkäufer schreibt auf eine Liste, was er haben möchte.
-
Der Verkäufer schreibt die Preise daneben und gibt die Liste
zurück, ohne sich eine Kopie gemacht zu haben.
-
Wenn der Einkäufer weitere Gegenstände auswählt, wird derselbe
Zettel weiterverwendet.
Wer diese Idee in seiner Software nutzen will, muß vorher eine
Patentlizenz einzuholen, sonst riskiert er eine Klage wegen
Patentverletzung.
Details:
http://swpat.ffii.org/patente/muster/ep807891/index.de.html
Jahr |
In der EU erteilte Software-Patente |
2001 | 6344 |
2000 | 4557 |
1999 | 3572 |
1998 | 2876 |
1997 | 2349 |
1996 | 1796 |
1995 | 1330 |
Um kein Patent zu verletzen, haben wir diese Tabelle zeilen-
und nicht spaltenweise eingegeben.
|
Patentiert seit 2003: Tabellen spaltenweise bearbeiten
Im Februar 2003 wurde einer US-Firma ein europäisches Patent auf
das spaltenweise Bearbeiten von Tabellen erteilt.
Für Details siehe:
http://www.elug.de/ projekte/patent-party/ patente/EP1283486.de.html
Patentiert seit 2003: Geschenke online bestellen
Das berühmte 1-Klick-Patent der Firma Amazon ist bekanntlich nur
in den USA gültig. In der EU wurde es abgelehnt.
Ein anderes Patent derselben Firma wurde hingegen im Mai 2003 in
der EU erteilt. Die „Erfindung“ besteht darin, daß
der Einkäufer betellte Waren nicht an sich selbst liefern läßt,
sondern an jemand anderen – als Geschenk.
Die europäischen Patentämter haben dieses Patent auf Grundlage
der noch zu beschließenden gesetzlichen Neuregelung in der
Fassung des EU-Ministerrats gewährt, die angeblich dazu geeignet
sein soll, „gute“ von „schlechten“
Software-Patenten zu unterscheiden und Monströsitäten wie das
US-1-Klick-Patent zu verhindern.
Gegen dieses Patent wurde von verschiedenen Seiten Beschwerden
vorgebracht. Nichtsdestoweniger hat es bereits seit fast zwei
Jahren Bestand – eine Ewigkeit in der schnellebigen
IT-Branche. Die Forderung der Patent-Lobby, die bereits erteilten
Software-Patente endlich zu legalisieren, um Rechtssicherheit zu
gewinnen, erscheint vor diesem Hintergrund wie eine Verhöhnung
der Betroffenen.
Für Details siehe:
http://swpat.ffii.org/patente/muster/ep927945/
Patentiert in Frankreich: 35-Stunden-Woche
Um die ökonomische Absurdität von Software-Patenten
offensichtlich zu machen, hat sich die Association Francophone
des Utilisateurs de Linux et des logiciels libres (AFUL) in
Frankreich den Übergang zur 35-Stunden-Woche als Geschäftsmethode
patentieren lassen.
Wenn Software-Patente in Europa legalisiert werden, wird jede
französische Firma, die eine 35-Stunden-Woche einführen will,
Patentgebühren an AFUL zahlen müssen.
Presseerklärung:
http://www.aful.org/presse/pr-35h.html (auf Französisch)
AFUL ist Mitglied der
EuroLinux-Allianz,
der Betreiberin der Online-Petition
gegen Software-Patente.
Die französische Regierung spricht sich in der EU derweil
gegen die Ausweitung des Patentrechts auf Software aus
– siehe:
http://swpat.ffii.org/papiere/eubsa-swpat0202/france020301/index.de.html
Patentiert in Europa: Fortschrittsbalken
Der von unzähligen Programmen her bekannte Fortschrittsbalken ist
patentiert.
Wer seine Programme mit einem derartigen Fortschrittsbalken
ausstattet, ohne vorher eine Patentlizenz erworben zu haben, kann
jederzeit wegen Patentverletzung verklagt werden!
Selbst wenn die Chancen gut stehen sollten, vor Gericht Recht zu
bekommen, bedeutet ein Gerichtsprozeß doch immer eine
unproduktive Zusatzbelastung, die für ein kleines Unternehmen
tödlich sein kann.
Das Fortschrittsbalken-Patent wurde am 29.12.2002 bei der
Siegerehrung des ersten deutschen
Patentverletzungsprogrammierwettbewerbs
öffentlich vorgestellt. Mit dem hier abgebildeten Aufkleber erreichte der
FFII gemeinsam mit der
Essener Linux User Group (ELUG)
zahlreiche CeBIT-Besucher am 18. und 19.3.2003. Seit 2004 ist der
Aufkleber in über 30 verschiedenen europäischen Sprachen verfügbar.
Für Details siehe:
http://www.elug.de/projekte/patent-party/patente/EP0394160.de.html
Patentiert – auch in Europa:
Musikkompression
010010110110101010111110...
|
Die Umwandlung von hörbarer Musik in Nullen und Einsen, die man
auf dem Computer abspeichern kann, kann man gut oder schlecht
machen. Im Falle von MPEG-2 Layer 3 („MP3“) hat man
auf Erkenntnisse der Gehörpsychologie zurückgegriffen: Man
verzichtet bewußt auf einen Teil der Informationen, den man
ohnehin nicht hören kann, um besser komprimieren zu können.
Die Idee, diese bereits vorhandenen Erkenntnisse auf diese Weise
zu nutzen, ist patentiert.
Das MP3-Datenformat ist zur Zeit der De-facto-Standard für
komprimierte Musikdaten. Ein neues Datenformat als Standard zu
etablieren, ist schwierig. Deshalb akzeptieren viele die
Lizenzbedingungen des Patentinhabers:
-
Das Lesen von MP3-Dateien ist zur Zeit gebührenfrei gestattet.
(Wie heise online berichtete, überlegt
der Patentinhaber, dies zu ändern.) Für das Erzeugen werden
Patentgebühren erhoben.
-
Autoren von nicht-freier Software führen 5 USD pro Lizenz an den
Patentinhaber ab.
-
Autoren von
Freier Software (Open-Source-Software)
erhalten keine Lizenz.
Es ist, wohlgemerkt, nicht so, daß der Programmierer für sein
Geld irgendeinen angemessenen Gegenwert (z.B.
Arbeitserleichterung) erhalten würde. Er erwirbt damit lediglich
die Erlaubnis, sich eine bestimmte Arbeit machen zu
dürfen.
Es ist schwierig, den MP3-Patenten zu entgehen: Andere, mit MP3
vergleichbare Datenformate wie z.B. Ogg/Vorbis sind nicht so weit
verbreitet wie MP3. Der Patentinhaber behauptet außerdem,
daß auch Ogg/Vorbis von seinen Patenten betroffen sei.
Hierüber ist noch nicht gerichtlich entschieden worden; es kann
durchaus sein, daß die MP3-Patente den gesamten Bereich der
verlustbehafteten Audiokompression abdecken.
Details:
http://swpat.ffii.org/patente/wirkungen/mpeg/index.de.html
In den USA zum Patent angemeldet: „Ungleich“-Operator
int *a, *b;
...
if (a != b)
{...}
|
Beispiel in der Programmiersprache C: Das Compilieren des
Ungleichheitszeichens (!=)
verletzt ein von Microsoft am 18.11.2004 angemeldetes Patent.
|
Am 18.11.2004 wurde ein am 14.5.2003 eingereichter Patentantrag
der Firma Microsoft auf den „Ungleich“-Operator
veröffentlicht, mit dem überprüft wird, ob zwei Variablen auf
denselben Speicherbereich zeigen.
(Siehe: Patentanmeldung)
Jedes Programmierwerkzeug (Compiler) verletzt dieses Patent!
Theoretisch sollte es ein Leichtes sein, dieses Patent bereits im
Vorfeld mittels des Arguments der fehlenden Neuheit („prior
art“) für nichtig erklären zu lassen. Daß das in der Praxis
jedoch nicht funktioniert, sieht man eindrucksvoll am Beispiel
der Dialoge mit Karteikartenreitern.
Es bleibt abzuwarten, wie das US-Patentamt auf diese
Patentanmeldung reagieren wird.
Patentiert in Europa: Online-Shop
Wer einen Online-Shop betreibt, verletzt damit über 20 in Europa
gegen geltendes Recht erteilte Software-Patente.
Für Details siehe: http://webshop.ffii.org
Dies sind keine „Ausrutscher“!
Die hier beschriebenen Software-Patente sind typische
Beispiele für die ca. 65000 in der EU erteilten Software-Patente.
Es handelt sich insbesondere nicht um sporadische
„Ausrutscher“.
Wer sich selbst davon überzeugen möchte, kann jederzeit unter
http://swpat.ffii.org/patente/txt/ep/ Einsicht in die
Patentschriften nehmen. Das Entscheidende sind die
Ansprüche, denn diese verraten Ihnen, welche Tätigkeiten
unter das Patent fallen und somit lizenzpflichtig sind. Sobald
Sie die Rätselsprache der Patentanwälte entschlüsselt haben,
werden Sie als Programmierer in der „Erfindung“ eine
Selbstverständlichkeit aus dem Programmiereralltag
wiedererkennen, die Sie vielleicht selbst in irgendeiner Software
verwenden. Wenn dies der Fall ist und das Patent per
Gesetzesänderung rechtskräftig wird, müssen Sie sich um eine
Lizenz bemühen.
Übrigens:
Wem gehören eigentlich die bereits erteilten EU-Software-Patente?
Weitere Beispiele …
findet man beim
FFII im
Gruselkabinett der europäischen
Software-Patente:
http://swpat.ffii.org/patente/index.de.html,
bei der Kampagne
NoSoftwarePatents-Award.com
sowie als Einsendungen zum ersten deutschen
Patentverletzungsprogrammierwettbewerb:
http://www.elug.de/projekte/patent-party/patente/
|